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Die letzten Kriegstage in Blomberg

Tagebuchaufzeichnungen von Wilhelm Große-Brauckmann (1888-1959)

Der Krieg ging zu Ende. Nur Wahnsinn konnte noch eine Fortsetzung des Kampfes fordern bei unzureichenden Waffen gegenüber der vollkommenen Luftüberlegenheit des Feindes, der jede Produktion lähmte und jeden Verkehr unmöglich machte. Der Krieg war verloren. Die Bildung des Volkssturmes, ein militärisches Monstrum, zeigte klar das Unvermögen der Partei und Regierung, sich ein wirkliches Bild über die militärischen Vorgänge zu machen.

Ich kam vor Weihnachten zum Volkssturm II. Die Führung wurde diesem Parteigebilde selbstverständlich einem Parteimann und SA-Führer übergeben, der von seiner Aufgabe keine Ahnung und Eignung hatte, und dieses lobenswerter Weise auch anerkannte. Der Einzige, der in Frage käme, sei ich, ich aber sei kein Parteimitglied und dazu Stahlhelmführer gewesen. So wurde ich zunächst nichts, dann holte man mich nach einer Führerbesprechung doch noch als Zugführer heran. Dienst habe ich nur dreimal gemacht, der im Winter bei Schnee und schlechtem Schuhwerk nur aus Ausmärschen bestand und kleineren Gruppenübungen auf der Straße. Man hätte ebenso gut zuhause bleiben können.

Ende Januar, am 25., hatte ich einen Unfall mit Verstauchung und Knöchelbruch, der mich 3 Wochen ans Bett band und 6 Wochen in Gips.

Am Gründonnerstag, den 29.3.1945, als gerade alle Führer, Komp.- und Zugführer auf einen Kursus waren, rief der Bataillonsführer, Hauptmann der Reserve Stiewe, aus Wellentrup an, daß der Feind bei Brilon und Geseke sei und erhöhte Alarmbereitschaft befohlen würde. Die Sperren (eine bei der Molkerei und eine bei Hausmanns, beide noch nicht fertig) seien sofort zu besetzen, aber noch nicht zu schießen, was ja auch des Verkehrs wegen nicht ging. Die Führer kamen sofort zurück. Ich alarmierte telefonisch. Dann rief der Bataillonsführer nochmals an, der bisherige Kompanieführer sei seines Postens enthoben und ich dafür ernannt. Ich wies auf meinen Fuß hin und daß mir vieles Gehen unmöglich sei. Es sei nicht zu ändern, es wäre kein anderer da. Auch Volkssturm I. sei mir unterstellt.

Ich konnte am linken Fuß nur einen Pantoffel tragen, das Bein war abends dick geschwollen. Am Stocke hinkend ging ich die Wachen ab, und da der Bürgermeister mich zum Stadtkommandanten ernannte, kamen auch sonstige Gänge hinzu. Ich wunderte mich, daß die militärische Führung, da die politische anscheinend nur aus Parteirücksicht keine Vernunft annehmen wollte, von sich aus nicht den unsinnig gewordenen Kampf einstellte.

Inzwischen begann der Rückzug der Etappen. Militär-Kraftwagen, lange Kolonnen russischer Kriegsgefangener, die langsamen Schrittes dahinzogen, ein breites Gemisch europäischer und asiatischer Gesichter. Versprengte deutsche Soldaten in immer größerer Zahl, fast durchweg ohne Waffen und sonstige Ausrüstung, zum Teil Ausbildungstruppen, die noch keine Waffen bekommen hatten. Dieser Menschenstrom riß nicht ab. In den Tagen habe ich auf der Straße, die doch eine Hauptstraße des Reiches ist, nur drei 38-cm-Mörser auf Selbstfahrlafetten, einen Panzer und 2 Feldbatterien gesehen, alle ohne Munition, und daher auf der Flucht hinter die Weser. Viele Soldaten kamen herein, um zu essen oder zu trinken. Da waren auch 2 junge Ungarn dabei, 17 und 18 Jahre alt. 2 andere junge Soldaten: "Nun sind wir es aber leid, es macht bald keinen Spaß mehr." "Wie lange seid ihr denn Soldat?" "14 Tage." Zwei etwa 50-jährige vom Rhein waren dort eingezogen und in Zivil bis Paderborn transportiert worden. Dort erhielten sie Gewehre und wurden zwischen Soldaten eingesetzt. Einer war im Ersten Weltkrieg Soldat gewesen, der andere unausgebildet. Nur wenige Abteilungen zogen geschlossen vorbei. Ein Bild des Zusammenbruchs. Jeder strebte nach Osten, nahm Fahrräder und sonstige Fahrzeuge mit, auch mit Gewalt. Und doch habe ich eigentlich mutlose kaum gesehen.

Die Letzten am Feind blieben Soldaten. "Wenn wir nur einen Teil des riesigen Materials des Feindes hätten, wollten wir schon mit ihnen fertig werden." Es lag sogar manchmal etwas geringschätziges gegenüber den Amerikanern in der Gleichmütigkeit, mit der sie kurz vor den feindlichen Panzern abzogen. So stand ein junger Soldat mit EK I. vor unserer Haustür, die Panzerfaust auf der Schulter, eine Maschinenpistole in der Hand. Ich fragte ihn, ob es nicht an der Zeit wäre, auch weiterzuziehen. "Eilt nicht, die halte ich schon auf!" So, als ob er allein stark genug sei, die feindlichen Panzer zum Stehen zu bringen. Wie schon damals im 1. Weltkriege entschied auch jetzt die ständig wachsende Überlegenheit des Feindes am Material den Krieg, und als wir dann den Ami sahen: Der Soldat war auf unserer Seite, das Material auf der Seite des Feindes. Aber Luftüberlegenheit und Material entschieden. Und dabei forderte die Partei noch jeden Tag im Rundfunk den letzten Einsatz an Männern, Frauen und Kindern. Das Vabanquespiel ging weiter mit Phrasen und leeren Versprechungen.

Einem verrückten Parteibefehl zu gehorchen, hatte ich keine Lust, zumal ich schon von Flüchtigen aus dem Westen gehört hatte, dass die Parteiführer sich überall rechtzeitig in Sicherheit brächten. Ich sagte dem Bataillonsführer, daß der Volkssturm nicht vorschriftsmäßig entsprechend den internationalen Bestimmungen ausgerüstet sei. Es fehlten Ausweise, Armbinden und Waffen. Die paar 71er Gewehre würde ich nicht einsetzen. Es wurde mir gesagt, daß Ausweise, Armbinden usw. kämen, auch moderne Waffen und 1 MG. Es kam aber nichts außer 5 Panzerfäusten, für die nur einige theoretisch ausgebildet worden waren. Ich erklärte, dass ich unter diesen Umständen keinen Feuerbefehl geben würde, denn ich konnte es nicht verantworten, daß die Volkssturmmänner eventuell als Heckenschützen behandelt würden. Der Bataillonsführer machte Einwendungen, ich sagte, daß ich den Zugführern bereits entsprechende Anweisungen gegeben hätte. Das dürfe ich nicht, ich übernähme damit eine große Verantwortung. Ich übernähme sie, ich würde den Volkssturm nur einsetzen bei vorschriftsmäßiger Ausrüstung und im Rahmen der Armee, für uns allein könnten wir keinen Krieg führen. Der Bataillonsführer gab mir recht, er würde sich nochmals nach Detmold wenden. Später rief er an, es gäbe nur einige Armbinden für die jeweiligen Posten, Ausweise könnte ich ja selbst ausstellen, hätte man ihm gesagt. Das war Unsinn, und es stellte sich dann heraus, daß schon seit 3 Tagen keine verantwortliche Parteistelle in Detmold mehr zu erreichen war. Diese Herren "Führer" hatten Anweisung bekommen, sich in Sicherheit zu bringen. Ich sagte, ich hätte keinen Augenblick daran gezweifelt, daß es so kommen würde. Die Herren rissen aus und überließen es dem Volkssturm, sich und das Land ins Unglück zu stürzen. Ich würde nun so handeln, wie ich es für richtig hielte.

So kam der 4. April. Der Durchgang der Soldaten hörte auf, der Feind war zu erwarten. Tagelang hörte man Artilleriefeuer am Teutoburger Wald, nicht stark, aber anhaltend. Da auch eine SS-Wache an der Molkerei auf die Nachricht, daß feindliche Panzer vor Reelkirchen gesehen worden seien, abfuhr, schien es, daß von uns keine Truppen mehr am Feind stände. Der Führer der SS schwadronierte von Widerstand, den er leisten wollte, sprach sehr überheblich und verächtlich vom Feind, nahm sich aber auf die Nachricht, daß der Feind nur noch 6-10 km entfernt wäre, die ersten besten Fahrräder, die er fand und fuhr davon. Requirieren von allen, was gut war, Fahrräder, Kutschen, Pferde, Ackerwagen etc. wurde groß geschrieben, auch unter Anwendung von Gewalt.

Die Post gab nachmittags durch, daß feindliche Panzer in Bega seien und daß auch nach Barntrup keine telefonische Verbindung mehr bestände. Manche Nachrichten stellten sich als falsch heraus. Ich zog die Wachen ein bis auf einen Posten bei der Molkerei zur Regelung evtl. Verkehrs für Nachzügler. Da wurde ich abends spät zum Deutschen Haus gerufen. Waffen-SS sei eingerückt und wolle Blomberg verteidigen. Ich traf im Hotel den Bürgermeister und wartete mit ihm auf den Offizier, der uns hergebeten hatte. Es saßen viele im Hotel, Blomberg sollte verteidigt werden und der Volkssturm mit eingesetzt werden. Ich erwiderte, ich hätte keine Waffen. Nach einigem Zögern, dann müsse der Volkssturm die Sperren schließen, etc. Ich holte die Zugführer und bestellte alle nach der Molkerei, um von da die notwendigen Anweisungen zu geben. Dann wurde ich nochmals vorstellig, denn es schien mir unsinnig, daß eine schwache Truppe nur mit Infanteriewaffen und Panzerfäusten sich als Kampfort ausgerechnet eine Stadt aussuchte, um den Feind einige Stunden aufzuhalten mit dem sicheren Ergebnis, daß die Stadt schwer leiden müßte. Ich fragte nach der Lage. Es war nicht bekannt, was rechts und links war. Mein Hinweis, daß mit Barntrup keine telefonische Verbindung mehr zu erhalten sei, veranlasste beunruhigt Nachforschungen. Vom Feind war bekannt, daß Panzer-Sicherungen an der Wegekreuzung bei Meinberg standen, und daß die Stärke auf 400-450 Panzer geschätzt wurde. Ich wies unter diesen Umständen auf die Gefahr hin, in der die Stadt mit ihren vielen Flüchtlingen und besonders wegen ihrer Bauart gebracht wurde, und daß man die Verteidigung als Nachhut doch auch in die Wälder weiter östlich verlegen könnte. Es würde in der Stadt ein maßloses Elend entstehen. Bei Achselzucken bei den einen und Ernst bei den anderen erreichte ich, daß wenigstens die Sperre an der Molkerei nicht geschlossen und dafür die Sperren weiter heraus angelegt werden sollten. Darüber froh, ordnete ich die Anlage der neuen Sperren an.

Mein Fuß machte mir viel zu schaffen, er war dick bis zum Knie, ich konnte nicht allerwegen sein. Nochmals versuchte ich auf die Truppe einzuwirken, erreichte aber nichts positives, aber gegen Morgen zog die SS ab. Am Telefon hatte ich inzwischen noch verschiedene sehr lebhafte Gespräche, in denen ich mich gegen Einmischungen wehren musste.

Der Bataillonsführer hatte mir abends, nachdem eine Meldung eingelaufen war, der Feind sei im Anmarsch, gesagt, ich solle nach eigenem Ermessen handeln. Was gingen mich auch rechtlich andere Parteistellen an. Von dem Kaffee, den ich aus stehen gebliebenen Heeresbeständen für Blomberg beschlagnahmt hatte, hielten mich einige gute Tassen die Nacht über munter. So wurde es gegen Morgen, als man die feindlichen Panzer anrollen und die Sperre am Blomberger Berg - gefällte Ulmen - beseitigen hörte. Immer noch zogen Soldaten, nicht SS, sondern Infanterie, die hier übernachtete und von dem Abmarsch der SS keine Kenntnis hatte, ab.

Bei der Molkerei fielen Schüsse, leider wurden dabei noch 2 Infanteristen schwer verwundet. Dann ertönte ein Lautsprecher, mit dem 5 Minuten frist zur Übergabe der Stadt gestellt wurde. Wir standen zu mehreren auf der Straße, ich nahm mein Taschentuch und ging mit Obertopp zur Molkerei, um die angedrohte Beschießung zu verhindern. Bei der Molkerei standen mehrere Panzer nebeneinander aufgefahren, dahinter standen am Blomberger Berg Panzer, soweit ich sehen konnte, und vorn ein Schleier Schützen. Der Lautsprecher stand am weitesten rechts und zu ihm wurde ich gewiesen. Ich melde dem amerikanischen Offizier, daß Blomberg nicht verteidigt würde, ich sei der Führer des Volkssturms. Der amerikanische Offizier, der gut deutsch sprach, fragte mich, ob noch Truppen in der Stadt seien und ich sagte: "Nein, höchstens noch einige wenige Versprengte."

Währendem kamen Hilferufe von dem Platz neben Ramm, es wurde gesucht, und zwischen den Baumstämmen dort lagen 2 Verwundete, die ich bat, abtransportieren lassen zu dürfen. Vom Lazarett kamen auf Anruf Krankenträger und Schwestern, die die Verwundeten wegtrugen. Auch der Arzt vom Lazarett kam mit einem Krankenpfleger und mit einem weißen Tuch zwischen sich gespannt, um die Stadt und vor allem das Lazarett zu übergeben. Der Offizier sagte, er solle dem Bürgermeister sagen, er solle selbst kommen. Ich wartete noch auf den Bürgermeister und wurde, als dieser nicht kam, von dem ungeduldig werdenden, aber höflich gebliebenen Offizier, aufgefordert, den Bürgermeister telefonisch zur Eile anzumahnen. Ein Soldat ging mit ans Telefon bei Reckers. Auf dem Rathaus sagte man mir, der Bürgermeister stehe auf dem Marktplatz, um da die Amerikaner zu erwarten, man wolle ihm Bescheid geben. Inzwischen waren schon Panzer weitergefahren. Dem amerikanischen Offizier wurde das Warten zu lange, ich solle dem Bürgermeister bedeuten, hier auf die Besetzung zu warten. Damit fuhr er weiter. Nachdem der Bürgermeister gekommen war und ich meinen Auftrag ausgeführt hatte, ging ich nach einer Weile, während wir bei Reckers saßen, nach Hause.

Es war ein bitterer Weg gewesen, aber es war die logische Beendigung meiner Aufgabe, ich hatte "A" gesagt, und mußte auch "B" sagen.

Angaben zum Autor

Ich bin der Enkel von Wilhelm Große-Brauckmann, Jens Große-Brauckmann und wohne in Blomberg-Lippe.

Hochgeladene Bilder und Dokumente

Dokument 1
Dokument 2
Dokument 3

Haplogruppe(n) des Autors

Väterliche Linie: I-M253
Mütterliche Linie: H

Urvolk/Urvölker des Autors

Väterliche Linie: Wikinger, Germanen
Mütterliche Linie: Kelten, Germanen, Etrusker

Ursprungsregion(en) des Autors

Väterliche Linie: Nordeuropa
Mütterliche Linie: Europa

Genetische Werte des Autors

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Mütterliche Linie
Abweichungen in HVR1
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Abweichungen in HVR2
73G, 263G, 315.1C
Die mitochondrialen Resultate werden im Vergleich zur Cambridge Reference Sequence dargestellt.

Diese Geschichte wurde publiziert am: 29.04.2012

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